Geschichte



Geschichte der Bissa IIIa
aus Sicht der Wissenschaft



Wanderungen der Bissa.
Im 20. Jhd. wanderten viele Bissa zuück nach Süden um den Kolonialherren zu entgehen.(Grüne Pfeile)
Nach einem Bild von Andreas Dafinger Uni Frankfurt.

Das 20. Jahrhundert
Die Kolonialgeschichte begann mit der Einnahme des Gebietes durch die Franzosen Ende des
19.Jh.. Administrativ wurde das Gebiet 1899 zum „Cercle du Mossi“ gezählt, 1919 das Gebiet
Haute-Volta errichtet. Bei der Gründung der Verwaltungseinheit Tenkodogo gab es Widerstände
von Seiten der Dorfchefs der Bissa. Sie wurden Tenkodogo nicht untergeordnet, sondern
behielten eine eigene Verwaltung.
Zunächst war das 20.Jh. von einer Dezimierung der Bevölkerung der Region geprägt. Vor den
Angriffen, um sich der Okkupation zu entziehen und vor unfreiwilligen Soldaten- und Arbeiterrekrutierungen
flüchtete eine beachtliche Anzahl der Bevölkerung in die benachbarte Gold-Küste (heute Ghana)
Zunächst wurde von der Kolonialverwaltung der wirtschaftliche Aufschwung
proklamiert und die Marktproduktion (vor allem Baumwolle) wurde eingeführt.
Aber schon bald änderte sich die Taktik, und man nahm das Gebiet als Arbeiterreservoir der
Küstenregionen für Minen, Plantagen, Eisenbahnbau und den Hafen. Zahlreiche Arbeiter
wurden auch in den Baumwollfeldern und im Straßenbau benötigt. Viele Soldaten Frankreichs
kamen ebenfalls aus dem Untersuchungsgebiet: 1914 waren es 7.740 Soldaten, die von
den Franzosen rekrutiert wurden.  Nach den Archiven und Faure (1996) betrug die Abwanderung 25-46%.
Im Kanton Niaogho sind zwischen 1923 und 1931 27% der Einwohner abgewandert,
eine Bevölkerungsabnahme von 7.623 auf 5.545 Einwohner.

Der Migrationsfluss hin zur Elfenbeinküste war und ist am stärksten. Dazu beigetragen hat die
Verwaltungseinheit der zwei Länder zwischen 1933 und 1947. In dieser Zeit wurden viele
Bissa an die Küste gebracht um ihre Dienste zu leisten.
Commandant Adam von Tenkodogo hatte Verträge mit dem Naaba Koom geschlossen,
Bissa an die Küste umzusiedeln, weil sie als gute und fleißige Arbeiter galten. Bei dieser Aktion
kamen 916 Freiwillige Richtung Süden, die eine Siedlung bei Bouaflé zugeteilt bekamen, die am
11. August 1933 Bouaflé-Garango getauft wurde.
Weitere Siedlungen wie Tenkodogo-Bouaflé und Koudougou-Bouaflé kamen hinzu.
Hervouet schätzt, dass der Region insgesamt etwa 150.000 Einwohner
in der Zeit von 1928-1947 verloren gingen, das entspricht der Hälfte der Population im Ausgangsjahr
(321.000). Laut einer Orstomstudie waren noch 1975 etwa 11% der Bevölkerung
im Alter zwischen 20-35 Jahren in den Küstenstaaten. Die Rückwanderung fand erst statt, als
sich die Situation in der Heimat verbesserte.
Ghana profitierte wirtschaftlich von den arbeitswilligen jungen Männer, die aus Burkina Faso kamen.
Deren Rückzug löste eine Krise aus.
Auch die Elfenbeinküste geriet in den 90er Jahren in eine Krise. Mittlerweile kommen sogar
Bewohner der Küstenregion nach Burkina Faso, um dort Arbeit zu suchen.

Die Franzosen bauten nicht nur die Verwaltung auf und verstärkten die Migration, sondern
initiierten auch die Monetarisierung der Gesellschaft durch die Einführung des Handels und
eines Steuersystems, bei dem mit Geld und in Lebendvieh gezahlt werden konnte. Bei der
Neugliederung des Gebietes machten die Franzosen das Angebot, die Verwaltung in die Hand
von Dorfchefs zu legen. Viele Dorfneugründungen fallen in diese Zeit. Die Dorfchefs und ihr
Hofstaat rekrutierte sich zumeist aus den Mitgliedern einer Familie, die in dem jeweiligen
Dorf angesehen waren, oder zumindest schnell genug waren um das Angebot wahrzunehmen.
Diese neuen Chefferien bestanden bis zum Ende der französischen Vorherrschaft. In dieser
Zeit bereicherten sich die Familien an der relativen Autonomie, welche ihnen die Franzosen
überließen, indem sie die Steuern für einen aufgeblähten Hofstaat aufbrauchten. Auch diese
kleptokratischen Praktiken veranlassten viele Bissa ihr Land zu verlassen. Selbst bei der
Auswanderung wurden Forderungen erhoben wie: 2 Frauen, 3 Rinder, 23 Paniers Hirse, 15 Stück
Geflügel, 14.000 Kaurimuscheln und Geld im Gegenwert von 70 €. Es gab auch öffentliches
Auspeitschen und Zwangsarbeit. Es wird geschätzt, dass etwa 200 Dörfer in dieser Zeit
entstanden sind, aber nur die wenigsten existieren heute noch.
Die Abwanderung wurde zudem durch verschiedene Epidemien und endemischen Krankheiten
verstärkt: Die Onchozerkose führte zur temporären Entleerung der Landstriche um den
Weißen Volta. Noch heute gibt es in den Gebieten um den Nakambé viele ältere Menschen,
die davon erblindet sind. Hinzu kamen Krankheiten wie Pocken, Heuschreckenplagen und
Hungersnöte, die die Bevölkerung dezimierten.
Da das Bissagebiet der Unabhängigkeit wegen lange hinter der Infrastruktur der Mossiebene
zurücklag, war auch die medizinische Versorgung sowie die Aufklärung nicht in nötigem Maße vorhanden.
In der Region war und ist es üblich, für die Zeit der Feldarbeit sein Haus zu verlassen und im Busch
zu leben, weil so Brachezeiten eingehalten werden können und man ein größeres Stück Land bearbeiten kann.
In dieser Zeit schlafen die Feldarbeiter unter freiem Himmel und trinken das Wasser, das in unmittelbarer
Nähe verfügbar ist. Die Folge ist ein erhöhtes Risiko an Krankheitsübertragungen.

Phase der Wiederbesiedlung und des wirtschaftlichen Aufschwungs

Bereits in den 50er Jahren kamen die ersten Migranten in ihre Heimat zurück und besiedelten
ihre alten Wohnstätten. Der Entleerungs- und Wüstungsprozess änderte sich aber erst spürbar
mit dem medizinischen Fortschritt und der Unabhängigkeit Obervoltas im Jahre 1961. 1975
nahm sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) des Onchozerkose Problems an und es
gelang, die Krankheit einzudämmen. Mit der Bekämpfung der Simulium damnosum-Fliege
als Vektor der Onchozerkose konnte in den 70er Jahren expansiv die Voltaregion erschlossen
und urbar gemacht werden. In Yakala ging die Zahl der Onchozerkosefälle in den Jahren 1969
bis 1978 von 800 auf 0 zurück. 1977 veröffentlichte Hervouet eine Studie, nach der die Einwohnerzahl
von 300.000 wieder annähernd auf dem Niveau vom Anfang des Jahrhunderts
liegen sollte. Damit wurde die Voltaregion für die Landwirtschaft attraktiv. Der wirtschaftliche
Aufschwung Béguédos und Niaoghos steht nach Houvouet stark in Verbindung mit der
erfolgreichen Krankheitsbekämpfung. Die Region hat sich zwischen 1975 und 1985 von einer
bewaldeten Savanne mit reichem Tierbestand zu einem intensiv landwirtschaftlich genutzten,
dicht besiedelten Gebiet gewandelt. Die Wiederbesiedlung der verlassenen Orte um den Nakambé
wurde von den umliegenden Orten her durchgeführt, hinzu kamen auch Mossi vom
Plateau und Peul, die vornehmlich unbewohnte Plätze besiedelten. Nach öffentlicher Werbung
im Radio zog es östlich des Voltas Neusiedler aus anderen Teilen des Landes an. Die
ersten Siedler kamen eher zögerlich, das änderte sich 1984, als die damalige Regierung eine
Bodenreform erließ, nach dem der Boden staatlich verteilt würde und eine Dürre die Menschen
aus dem Norden trieb. Allein in den Jahren nach der Gesetzesnovellierung wurden
zwischen 1984 und 1987 zwischen 2500-3000 Neuankömmlinge an den Nakambéufern des
Untersuchungsgebietes gezählt, 1000 in Bagré zwischen 1987 und 1991. In Lenga schätzt die
C.D.R. 1986 etwa 60 neue Familien und 1988 bereits 200 Familien pro Jahr. Einige suchten
die Erdherren auf, andere setzten sich über die Tradition hinweg. Einige Migranten besiedelten
auch Buschland, oftmals übernahmen sie die alten Bissaverstecke als Siedlungsplätze oder
Orte, an denen ihnen das Land besonders fruchtbar erschien. Die Zuwanderung allochthoner
Gruppen zu den traditionell lebenden Bissa blieb nicht ohne Konsequenzen. Mit dem massenhaften
Zuzug wurden die Probleme größer und Konflikte geschürt.

Zu den technischen Neuerungen, die zum wirtschaftlichen Aufschwung beitrugen, gehörte der
Pflug, aber auch schon bald Traktoren, die seit 1976 in Béguédo eingesetzt wurden. Dämme
wurden errichtet, um länger Wasser für die Felder nutzen zu können und den Boden nicht der
erosiven Kraft der Regenzeit zu überlassen. Die Marktproduktion wurde exportiert, zum einen
in Richtung Norden, zum anderen nach Ghana. Das Marktgeschehen gewann an Anziehungskraft,
weil die Razzien aufhörten und man durch den Überschussverkauf ein Einkommen erzielen
konnte.
Obwohl die Besiedlung und die Bevölkerungsdichte des Gebietes zunahm,
blieben die Bissa ein wanderfreudiges Volk. Einer Studie von Orstom 1975 nach riss der
Strom von Auswanderern in Richtung Küste zwar national ab, aus dem Gebiet der Bissa wurde
jedoch noch immer eine Rate von 36% gemessen, zwischen 1960 und 1973 sind demnach
117.00 Bissa nach Ghana gezogen (neben 5.600 Heimkehrern), 20.400 in die Elfenbeinküste
(5.700 Heimkehrer). Seit den 90er Jahren ist sogar eine weitere Dimension der Arbeitsmigration
hinzugekommen, die Auswanderung nach Italien in der Gegend von Béguédo.
Seit der Unabhängigkeit nimmt die föderale Zergliederung der Region zu und kleinere Verwaltungseinheiten
entstehen, zuletzt die Departements Boussouma und Komtoéga, die ehemals zu Garango gehörten.
Ein Erstarken traditioneller Machtstrukturen ist die Folge.
Die jungen Orte entwickeln sich, wie zu zeigen sein wird, different und neue Institutionen und
Ordnungen entstehen, die traditionelle Muster überprägen. Die Gesellschaft befindet sich im
Aufbruch zum Pluralismus, die Region erfährt eine strukturelle Transformation.

Auszug aus: Strukturelle Transformation in agro-ruralen Territorien  Uni Hd, mit freundlicher Genehmigung des Autors
Im Original gibt es Quellenangaben in Form von Fußnoten, sie wurden hier weggelassen.