Zur Situation der Frauen im Partnerschaftsgebiet




Großfamilie und Polygamie waren und sind in Burkina Fasos traditioneller, patriarchalisch geordneter
Gesellschaft vorherrschend. Traditionell können Frauen kein eigenes Land besitzen und haben
kein Erbrecht Sie haben jedoch Anspruch auf die Nutzung eines Feldes aus dem Besitz ihres
Ehemannes. Dieses muss in der Nähe des Gehöfts liegen (Hausfeld). Sie dürfen eigenes Kleinvieh halten
und die Erträge aus beiden Aktivitäten auf dem Markt verkaufen.
Ehen werden meist nach traditionellem Ritus geschlossen, daneben gibt es Eheschließungen nach religiösem Ritus.
Streng eingehalten wird die Regel der Exogamie, d.h. die Frauen eines Clans stammen aus anderen Clans (ausgeweitetes Inzesttabu). Die Ehefrau behält daher ihren Namen nach der Eheschließung, sie kann aber zusätzlich den Namen ihres Ehemannes führen. Einer besonderen Erklärung bedarf es hierfür nicht.
Die Zivilehe ist nach dem Gesetz die einzig gültige aber im Partnergebiet nur wenig verbreitet. Das gesetzliche Mindestheiratsalter ist 17 (F) bzw, 20 (M), es kann jedoch auf 15 (F) bzw. 17 (M) herabgesetzt werden. UNICEF-Statistiken weisen Burkina als Land mit den meisten Frühehen aus: 52% der Mädchen heiraten im Alter von 18 oder früher. Darunter sind die 3,2% die bei der Eheschließung jünger sind als 15 Jahre.

Eine frühe Ehe schützt die Mädchen vor unehelicher Mutterschaft.
Uneheliche Mutterschaft führt zu sozialer Diskriminierung der betroffenen Frauen, in vielen staatlichen oder kirchlichen Organisationen (z.B. Schulen, Krankenhäuser..) kommen Ausschluss oder Entlassung hinzu. Den Vätern geschieht nichts. Schwangerschaftsabbbrüche sind nur unter besonderen Umständen erlaubt, werden aber nicht verfolgt. Sie sind wohl weit verbreitet (2,5% der Frauen Alter von 15-49 Jahren (Quelle: Guttmacher Institute) ).
Die "Pille danach" bei ungewollter Schwangerschaft ist in Apotheken erhältlich.

Uneheliche Kinder haben keinen Rechtsanspruch auf Unterstützung durch den Vater. Kritik an dieser Praxis führt zu dem Gegenvorwurf, dass die europäischen Vorstellungen zu Ehe und Familie kein Vorbild für Afrika sein könnten.

Kinder, deren Eltern miteinander verheiratet sind, erhalten den Familiennamen des Vaters und sind erbberechtigt.
Polygamie bedarf nach dem Gesetz der Zustimmung der Ehefrauen.
Allgemein üblich ist die Entrichtung eines Brautpreises . Er soll, symbolisch, der Familie den Verlust einer Tochter ersetzen und wird verstanden als Zeichen der Ehrerbietung für die Braut und deren Familie. Ausgehandelt wird der Preis nicht vom Bräutigam sondern von Vertretern der beiden Familien. Die vereinbarten Gegenstände werden in speziell angefertgten Hochzeitskörben gesammelt und übergeben. Dazu gehören immer Kolanüsse, ein Opfertier und kleinere Geldbeträge.
In Burkina erlaubt, und im Partnergebiet praktiziert, sind das traditionelle Scheidungsrecht und die Sonderformen
im Eherecht: le rapt, le lévirat und le sororat. (Quelle: Monographie Komtoéga 2002)

Kinder sind für beide Geschlechter wichtig, nicht nur wegen der Alterssicherung, sie haben auch eine hohe ökonomische Bedeutung: Die Zuteilung von Land durch den Erdherren (Tengsoba) richtet sich auch nach der Zahl
der Arbeitskräfte. Daneben gibt es aber unterschiedliche statusrechtliche Überlegungen.
Mutterschaft wird für eine Frau relativ früh wichtig, denn nur als verheiratete Mutter wird sie ein erwachsenes vollwertiges Mitglied der traditionellen Gesellschaft. Ihr Status steigt mit der Anzahl der lebenden Kinder.
Für einen Mann ist es wichtig, dass es eine nachfolgende Generation gibt, die ihm ein angemessenes Begräbnis ausrichtet und eines Tages als Ahnen verehren wird. Nur dann kann er zu Lebzeiten den Status als Ältester und stimmberechtigtes Mitglied des Rates erreichen. Mit zunehmendem Alter wird dies wichtiger und ist häufig der Grund dafür eine zweite oder dritte, deutlich jüngere, Frau zu heiraten. Im Gegensatz zu Frauen erleben nur wenige Männer die Geburt von Enkeln.

Beschneidung und Kinderehen sind verboten.  Die Strafen für Frauenbeschneidung (MGF mutilations génitales féminines) liegen zwischen 6 Monaten  und 3 Jahren Gefängnis, und bis zu 10 Jahren falls das Opfer stirbt. 
Eine neuere Untersuchung (UNICEF 2016 pdf)stellt fest, dass der Anteil der beschnittenen Frauen zwischen 15 und 49 Jahren bei 76% liegt, bei den Mädchen zwischen 0 und 14 bei 16%.  Ob diese Zahlen auch für unser Partnergebiet gelten, wissen wir nicht. Männer wissen über die Häufigkeit, die Praktiken und die Probleme der Beschneidung nur wenig oder nichts. Fragen danach werden von Männern wie Frauen als peinlich empfunden.
Das Buch Isaaks Schwestern von Dr. Jürgen Wacker beschreibt die Praktiken eindringlich und authentisch.

Zur Zeit verändert sich die Rolle der Frau: Das Frauenwahlrecht besteht seit 1956; die völlige Gleichberechtigung regelt der "Code de personnes et de la famille" (CPF, 1990);  die lange Abwesenheit der Männer infolge der Wanderarbeit stärkte die ökonomische Position der Frau. Sie finden langsam auch Zugang zu gut bezahlten "Männerberufen (frz). Symbol für Emanzipation und Erfolg ist das 80ccm Moped YamahaDame.
Seit der Sankara-Revolution gehört Frauenförderung zu den Staatszielen: "l'emancipation de la femme burkinabé". Burkina hat den Weltfrauentag (fr) am 8. März zum nationalen Feiertag erklärt: JIF Journée internationale de la femme.
Ende 2012 stellte sich die politische Situation landesweit so dar (Frauen/insgesamt):
Minister (4/30); Abgeordnete (17/111); Gouverneure (3/13); Bürgermeister (23/351); Gemeinderäte (6400/17800); Hochkommissare (3/45); Botschafter (6/28) (Quelle Sidwaya)
Seit 2006 gibt es ein Gesetz zum Mutterschutz: 14 Wochen - 100% des Arbeitsentgelts (bezahlt von der Sozialversicherung des Arbeitgebers) 2010 fanden 67,1% der Geburten im Land unter qualifizierter Aufsicht (Hebamme, Infirmier) statt (93,9% in städtischen, 61,8% in ländlichen Gebieten). (Quelle Sidwaya)
Seit Ende 2014 kümmert sich die Übergangsregierung Kafando verstärkt um Frauenrechte.
Dennoch sind die Frauen von Gleichberechtigung noch weit entfernt. Ihre Arbeitslast ist weit größer als die der Männer, ihr Zugang zu Bildung (fr) kleiner.
Das Verhältnis der Geschlechter ist nicht partnerschaftlich, wie bei uns, sondern subsidiär, d.h. arbeitsteilig und unterstützend. Frauen und Männer verbringen den meisten Teil des Tages nicht miteinander sondern in ihrer jeweiligen Gruppe.


Traditionelle Arbeitsteilung in Garango.
 Tabelle übernommen von Sœur Jean Bernard
      Cahiers d'études africaines
     Année 1965, Volume 5, Numéro 18, pp. 161-247   

Im Partnerschaftsgebiet  ist die Situation der Frau besser als im Landesdurchschnitt, insbesondere in der
Stadt Garango. Die Einschulungsraten tendieren gegen 50%, vor allem in den neu gebauten Schulen.
In den kommunalen Parlamenten des Partnerschaftsgebiets liegt der Frauenanteil bei 40-45%.
Der Kleinhandel wird von Frauen dominiert und sie allein haben das Recht  Dolo zu brauen und zu verkaufen.
Das gibt ihnen eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit.
Aus dem Alltag zweier Frauen aus Garango: Azara Goumbane ( 43);  Barkissa Zeba (20).
Außer dem Zentrum zur Frauenförderung gibt es in Garango eine Vielzahl von Fraueninitiativen
und Selbsthilfegruppen deren Aktionen von der Alphabetisierung, über die Verbesserung der Wasserversorgung,
bis zur Organisierung wirtschaftlicher Tätigkeiten  reichen. Diese Gruppen werden nicht nur vom Staat sondern
auch von den lokalen Chefs unterstützt, zumindest ideell. Alle Chefs des Partnergebietes versammelten sich in Ibogo (Niahogo) bei einer großen Veranstaltung gegen Zwangs- und Kinderehen. (Juli 2015)